Geschichte von Misdroy

Misdroy auf der Insel Wolin hat in gut zwei Jahrhunderten den Sprung vom kleinen Dorf zum bekannten Bade- und Kurort geschafft. Wir führen dich chronologisch durch die Entwicklung – von den frühen Spuren im Mittelalter über den Boom des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.

Frühe Spuren und der Name Misdroy (bis um 1800)

Die Küste rund um Misdroy war seit dem Frühmittelalter besiedelt, geprägt von der Nähe zur Handelsmetropole Wolin. Aus schriftlichen Quellen tritt der Ort 1554 erstmals hervor, als Besitz der Domprobstei Cammin. Lange blieb es ein kleines Fischerdorf, dessen Bewohner von Fischfang und etwas Landwirtschaft lebten. Verwaltung und Grundbesitz wechselten über die Jahrhunderte, doch für die Menschen vor Ort bedeutete das vor allem Abgaben – ihr Alltag orientierte sich an Meer, Wald und den Jahreszeiten.

Der Weg zum Seebad (ca. 1830–1914)

Um 1830 beginnt die eigentliche Bädergeschichte. Erste Sommergäste kamen, ab 1835 entstanden die ersten Badehäuschen, streng getrennt für Damen und Herren, wie es in den deutschen Ostseebädern üblich war. Wohlhabende Berliner und Stettiner bauten sich Villen, und 1850 zählte das Dorf bereits 317 Einwohner und rund 500 Gäste.

In den 1860er-Jahren kamen Kurhaus, Pensionen und ein angelegter Park hinzu, 1862 wurde die neue Kirche auf der Königshöhe geweiht. 1867 verbrachte der spätere Kaiser Friedrich III. mit seiner Familie mehrere Wochen in Misdroy; sein Aufenthalt trug zur Popularität bei. Zwei Jahre später entstand eine Schiffsanlegestelle am Vietziger See (Laatziger Ablage), die Misdroy mit Stettin verband.

Misdroy (Międzyzdroje) um 1898: Blick vom Hafen auf den Strand mit Fischerbooten und ein großes Hotel an der Promenade (historische Grafik)
Historische Ansicht von Misdroy, 1898: Fischerboote am Strand, dahinter die Promenade mit einem großen Strandhotel.

Ein Höhepunkt war der Bau der Seebrücke 1885 – die erste ihrer Art in der Region. Sie wurde 1906 auf 360 m verlängert, 1913 durch eine Sturmflut zerstört und 1921 erneuert. Parallel entwickelte sich die Eisenbahn: 1899 erreichte die Strecke von Wollin den Ort, bald folgten direkte Verbindungen nach Berlin und Stettin. Damit war Misdroy komfortabel angebunden, was die Gästezahlen explodieren ließ: 1913 zählte man bereits über 20.000 Sommergäste.

Zwischenkriegszeit – etabliertes Ostseebad (1919–1939)

Nach dem Ersten Weltkrieg behauptete Misdroy seinen Rang unter den deutschen Seebädern. Hotels und Villen wurden modernisiert, die Promenade erweitert und das Kurleben vielfältiger. 1930 wurden 21.115 Sommergäste gezählt; die Einwohnerzahl lag 1939 bei über 4.000.

Neben Bürgern aus Berlin, Pommern und Schlesien kamen nun auch Gäste aus Skandinavien. Unter den Besuchern fanden sich Prominente wie der Generalpostmeister Heinrich von Stephan oder der Arzt Rudolf Virchow. In den Jahren 1938–1942 besuchte Prinz Klaus von Amsberg – später Ehemann der niederländischen Königin Beatrix – die renommierte „Balten-Schule“ in Misdroy.

Die Lage im Schutz der Hügelkette mit Gosanberg (95 m) und Greweberg (115 m) sorgte für ein mildes Reizklima und machte Misdroy auch in raueren Jahreszeiten attraktiv.

Misdroy in den 1930ern
Die Promenade von Misdroy in den 1930er Jahren

Krieg, Umbenennung und Neuordnung (1945–1989)

Der Zweite Weltkrieg verschonte Misdroy weitgehend vor Zerstörungen. Mit den Grenzverschiebungen von 1945 kam der Ort unter polnische Verwaltung und erhielt den Namen Międzyzdroje. Viele deutsche Einwohner mussten gehen, neue Familien aus Polen und den Ostgebieten siedelten sich an.

In den folgenden Jahrzehnten entstanden Sanatorien und Erholungsheime, die den Badebetrieb fortsetzten, allerdings unter sozialistischen Vorzeichen. Ein bedeutender Schritt war 1960 die Gründung des Wolin-Nationalparks mit Sitz in Międzyzdroje – die einzigartige Natur wurde damit Teil der touristischen Identität.

Neustart und neue Markenzeichen (seit 1990)

Nach der politischen Wende begann ein neuer Aufschwung. Hotels und Pensionen wurden renoviert, die Promenade aufgewertet und an die alte Seebadtradition angeknüpft. Symbol dafür ist die neue Seebrücke, in den 1990er-Jahren errichtet und später verlängert. Sie dient heute als Wahrzeichen und Ausgangspunkt für Ausflugsschiffe.

Seit 1996 bringt das „Festival der Stars“ nationale Prominenz nach Międzyzdroje. Die Promenada Gwiazd mit Handabdrücken bekannter Künstlerinnen und Künstler ist seither eine Attraktion, die an die internationalen Glanzzeiten des Badeorts erinnert.

Blick von der Seebrücke in Misdroy (Międzyzdroje) auf die Küste – moderner Badeort mit langer Geschichte als Seebad.
Heute wie früher: Von der Seebrücke in Misdroy reicht der Blick entlang der Küste, die schon im 19. Jahrhundert Badegäste anzog.

Misdroy heute – Kontinuität mit Küstencharakter

Heute hat Misdroy/Międzyzdroje rund 6.000 Einwohner und ein Vielfaches an Gästen in der Saison. Strand, Promenade und Nationalpark prägen das Bild – moderne Hotels treffen auf Bäderarchitektur, neue Attraktionen auf nostalgische Spuren. Wie schon vor 100 Jahren ist Misdroy ein lebendiger Bade- und Kurort, der Tradition und Gegenwart verbindet.

Mehr über Misdroy (Międzyzdroje)

Noch mehr Kontext, aktuelle Tipps und praktische Infos findest du auf unserer Hauptseite: Strände, Sehenswürdigkeiten, Anreise, Wetter, Restaurants & Unterkünfte – alles auf einen Blick.
👉 Mehr über Misdroy