Geschichte von Swinemünde (Świnoujście) – vom Hafen- und Seebad zur modernen Küstenstadt
Die Geschichte von Swinemünde ist wirklich spannend. Sie erzählt von einem kleinen Dorf, das im Laufe der Zeit zu einem strategischen Seehafen und später zu einem mondänen Kurort heranwuchs. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die historischen Wendepunkte, die Swinemünde (Świnoujście) bis heute geprägt haben.
Prolog – Ein Tor zur Ostsee
Swinemünde, heute Świnoujście, liegt einzigartig an der Mündung der Swine. Die Swine ist ein schmaler Arm der Oder. Sie trennt die Inseln Usedom und Wollin. Das macht die Stadt zu einem strategischen Punkt zwischen der Ostsee und dem Stettiner Haff. Diese besondere Lage hat die Stadtentwicklung stark beeinflusst. So wurde sie zu einem ständigen Übergangsort zwischen Land und Meer, Handel und Militär sowie verschiedenen Kulturen.
Die Geschichte Swinemündes ist keine gewachsene Erzählung. Vielmehr entstand sie als strategisches Projekt aus geopolitischen Gründen. Die Stadt musste sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu erfinden. Sie entwickelte sich vom einfachen Fährdorf zum wichtigen Seehafen. Danach wurde sie ein mondänes Seebad, erlitt große Zerstörung und stieg als polnische Hafen- und Touristenmetropole wieder auf. Jeder dieser Schritte war ein direktes Ergebnis politischer, militärischer und wirtschaftlicher Interessen.
Dieser Bericht beleuchtet die bemerkenswerte Entwicklung. Er erklärt die Ursachen der Stadtgeschichte und ordnet ihre Phasen in den historischen Kontext ein. Dabei geht es auch um die heutigen Herausforderungen. Swinemünde nimmt so wieder eine zentrale strategische Position in Europa ein.
Die Preußische Strategie – Die Geburt einer Hafenstadt aus geopolitischer Notwendigkeit
Frühmittelalterliche Wurzeln und die Stettiner Dominanz
Schon vor der planmäßigen Gründung im 18. Jahrhundert gab es Siedlungen an der Swinemündung. Im späten 12. Jahrhundert stand hier eine slawische Schutzburg. 1230 ließ Herzog Barnim I. von Pommern eine Fähre über die Swine bauen. Diese sollte den Verkehr zwischen den Inseln Usedom und Wollin erleichtern. Fast 70 Jahre später, 1297, erwähnte man den Swinemünder Hafen erstmals im Zusammenhang mit einer Zoll- und Lotsenstation. Trotzdem blieb der Swinemündung über Jahrhunderte unbedeutend. Die Gegend war nur dünn besiedelt. Der wichtigste Seeweg nach Stettin verlief über den Peenestrom und den Hafen von Wolgast. Die Swinemündung war sandig und nur für flache Schiffe geeignet. Man nutzte sie daher vorrangig für den Salzhandel.
Der schwedische Zwischenfall und die preußische Vision
Eine Wende in der Frühgeschichte Swinemündes war der Westfälische Friede 1648. Er teilte Pommern. Usedom und Wollin fielen an Schweden. Schweden wollte den Schiffsverkehr nach Stettin kontrollieren und hohe Zölle erheben. Deshalb ließen sie die Swine bewusst versanden. Dieser Schachzug zwang die gesamte Oderschifffahrt über den schwedisch kontrollierten Peenestrom und den Hafen Wolgast. Erst nach dem Großen Nordischen Krieg änderte sich die Lage. Schweden trat Stettin, Usedom und Wollin im Frieden von Stockholm 1720 an Preußen ab. Wolgast blieb jedoch schwedisch. Preußen, damals eine wachsende Macht, konnte diesen Zustand nicht hinnehmen. Um die schwedischen Zölle in Wolgast zu umgehen, brauchten sie einen eigenen Zugang zum Meer. So konzentrierten sie sich auf die unbedeutende Swinemündung. Preußens Könige wollten „am Commerz der ganzen Welt teilhaben“ und einen eigenen Hafen bauen.
Der steinige Weg zum Seehafen
Die ersten Versuche, die Swine schiffbar zu machen, begannen 1729 unter König Friedrich Wilhelm I. Das Projekt scheiterte aber sofort. Die bewilligten 1.000 Taler waren viel zu wenig. Ein einziger Herbststurm zerstörte die provisorischen Bauwerke aus Harken und Faschinen komplett. Die Wende kam 1740 mit Friedrich dem Großen. Er setzte das Projekt „energisch fort“. Mit mehr politischem Willen und großen Investitionen begannen nun die eigentlichen Hafenarbeiten. Man bändigte den Fluss mit Packwerken und Baggern. Diese umfangreichen Arbeiten stellten überregionale Interessen über die der lokalen Bevölkerung. So führten sie 1746 zum Erfolg.
Die Swinemündung wurde zum Seehafen erklärt und erhielt den Namen „Swinemünde“. Kurz nach der Eröffnung stieg der Schiffsverkehr stark an: 1739 waren es nur 15 Schiffe, 1747 bereits 627. Die planmäßige Stadt Swinemünde bekam 1753 einen Magistrat und 1765 das Stadtrecht als Immediatstadt. Swinemünde ist ein Beispiel für eine Stadt, die nicht natürlich gewachsen ist, sondern als strategisches Werkzeug eines Staates entstand. Ihre Existenz ist das direkte Ergebnis des Ringens um Handelsrouten in Pommern.
Die Duale Identität – Vom Handelshafen zum Seebad und zur Festung
Der Aufstieg und die Herausforderungen des Handelshafens
Das 19. Jahrhundert war eine Blütezeit für Swinemünde als Hafenstadt. Da Wolgast 1815 ebenfalls an Preußen fiel, gab es keine Konkurrenz mehr zwischen den Häfen. 1818 wurde Swinemünde Kreisstadt. Der Hafen war nun das Zentrum der Wirtschaft. Leichter beförderten Waren von Seeschiffen nach Stettin und Güter von dort zurück. Der Hafen wuchs weiter, angetrieben durch den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Dritten Koalitionskrieg. Die Einwohnerzahl stieg auf über 2.000. 1848 besaßen die Reeder schon 16 Handelsschiffe. Um 1835 zeigten Dänemark, die Niederlande und Schweden ihre Konsulate hier. Das unterstrich die Bedeutung der Stadt. Ein technisches „Wunderwerk“ dieser Zeit war der Bau der Molen zwischen 1818 und 1823. Sie schützten den Hafen vor der Strömung und kosteten eine Million Taler.
Die Geburt des Seebades und die neue wirtschaftliche Säule
Der Hafenerfolg war paradoxerweise der Startpunkt für einen Wandel. Im späten 19. Jahrhundert entstand der Kanal „Kaiserfahrt“. Er ermöglichte größeren Schiffen eine direkte Fahrt vom Stettiner Haff nach Stettin. So verlor Swinemünde als Umschlaghafen stark an Bedeutung. Eine wirtschaftliche Neuausrichtung wurde nötig. Die Stadt reagierte pragmatisch und setzte auf den Tourismus. Die erste Badesaison eröffnete 1824. Swinemünde bot dafür ideale Bedingungen: einen breiten Sandstrand, eine zentrale Lage und dank des Hafens eine gute Verkehrsanbindung. Der Erfolg war sofort spürbar. Schon am Anfang kam fast die Hälfte der Badegäste aus Berlin. Swinemünde wurde zum drittgrößten deutschen Ostseebad. Vor dem Ersten Weltkrieg kamen über 40.000 Kurgäste hierher. Das war mehr als doppelt so viel wie die Einwohnerzahl. Das Seebad wurde auch durch die regelmäßigen Besuche von Kaiser Wilhelm II. bekannt.
Parallelität von Festung und Seebad
Einzigartig an der Stadtgeschichte ist, dass sich Swinemünde gleichzeitig zum Seebad und zur Militärfestung entwickelte. Idyllische Strandvillen und Kurgäste existierten direkt neben den massiven Befestigungsanlagen. Diese sicherten die strategische Mündung. Mitte des 19. Jahrhunderts baute die preußische Armee Küstenforts an beiden Ufern der Swine. Swinemünde wurde zur „Festung III. Ranges“ erklärt und diente in der Kaiserzeit als Marinestützpunkt. Diese Mischung aus idyllischem Meer und Militär prägte die Stadt. Ihre Spuren sieht man bis heute an den Bauwerken.
Tabelle 1: Wichtige historische Meilensteine Swinemündes
Jahreszahl | Ereignis |
---|---|
1230 | Fährverbindung durch Herzog Barnim I. |
1746 | Offizielle Gründung des Hafens und der Stadt |
1765 | Swinemünde erhält Stadtrecht als Immediatstadt |
1824 | Eröffnung der ersten Badesaison |
1818-1823 | Bau der Molen |
1857 | Aufnahme der Dampfschiffverbindungen |
1945 | Zerstörung durch Bombardierung; Übergabe an polnische Verwaltung |
2016 | Eröffnung des LNG-Terminals (Gazoport) |
2028 (geplant) | Geplante Fertigstellung des Containerhafens |
Tabelle 2: Swinemünde in Zahlen: Bevölkerung und Tourismus im Wandel
Jahr | Einwohner | Gäste / Touristen |
---|---|---|
1790 | ~2.000 | – |
Vor WWI | ~19.000 | >40.000 |
1939 | ~40.000 (davon Hälfte Militär) | >600.000 |
2024 | 39.000 | ~3.000.000 |
Die Zäsur von 1945 – Zerstörung, Vertreibung und Neuanfang
Swinemünde im Zweiten Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs war Swinemünde ein wichtiger Stützpunkt der deutschen Kriegsmarine. Sie war die bedeutendste Station auf dem Seeweg zwischen der Ostfront und Kiel. Die Festungsanlagen, die schon im 19. Jahrhundert gebaut wurden, erweiterte man und nutzte sie intensiv, besonders das Westfort. 1941 errichtete man am westlichen Ende der Stadt einen Hochbunker mit Messanlagen und einer Flakplattform. In den letzten Kriegswochen wurde die Stadt zudem ein Zufluchtsort für viele Kriegsflüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten.
Die Tragödie vom 12. März 1945
Am 12. März 1945 erlebte die Stadt eine große Katastrophe. Ein massiver Luftangriff der 8th Air Force zerstörte weite Teile von Swinemünde. 661 schwere Bomber und 412 Begleitjäger waren daran beteiligt. Sie warfen aus 6.000 Metern Höhe 1.609 Tonnen Bomben ab. Das Ziel war, den Marinestützpunkt und Kriegsschiffe wie die Lützow und die Admiral Scheer zu zerstören. Die meisten großen Schiffe waren aber nicht im Hafen. So wurden sie auch nicht getroffen. Stattdessen traf der Flächenangriff eine Stadt voller Zivilisten und Flüchtlinge.
Die genauen Opferzahlen sind bis heute umstritten. Die Zahl der Flüchtlinge war unbekannt und viele Leichen waren nicht zu identifizieren. In den Medien ist oft von über 20.000 Toten die Rede. Wissenschaftler widerlegen diese Zahl aber als unrealistisch. Schätzungen gehen von 3.000 bis 4.500 Opfern aus. Die meisten Toten wurden in Massengräbern auf dem nahegelegenen Golm beerdigt. Golm ist die höchste Erhebung Usedoms. Swinemünde selbst liegt zu tief für Massengräber. Dies liegt am hohen Grundwasserspiegel.
Die Nachkriegsordnung und die Transformation
Am 6. Oktober 1945, nur Wochen nach dem Angriff, stellte man Swinemünde unter polnische Verwaltung. Dies war der Beginn eines radikalen Wandels. Die verbliebenen deutschen Einwohner vertrieb man mit massiver Gewalt. Nur wenige Deutsche mit slawischer Abstammung durften bleiben. Die Stadt bekam den polnischen Namen Świnoujście und wurde von polnischen Neusiedlern bevölkert. Das war ein kompletter Bruch mit der deutschen Vergangenheit. Der Schweriner Grenzvertrag von 1951 legte die Grenze zwischen Deutschland und Polen endgültig fest. Die Demarkationslinie verlief westlich an der Stadt vorbei. Eine Korrektur der Grenze 1951 zeigt, wie pragmatische Notwendigkeiten geopolitische Entscheidungen beeinflussten. Polen erhielt damals die Kontrolle über das Wasserwerk westlich der Stadt.
Die Moderne Ära – Vom Wiederaufbau zur europäischen Boomtown
Wirtschaftlicher Aufschwung und grenzüberschreitender Tourismus
Nach der Neubesiedlung begann der Wiederaufbau. Schon bald entwickelte sich Swinemünde wieder zu einem wichtigen polnischen Seehafen und Badeort. Heute ist die Stadt eine „Boomtown“ und investiert massiv in ihre Infrastruktur. Tourismus und Hafenwirtschaft sind die wichtigsten Wirtschaftszweige. Swinemünde profitiert stark von der Nähe zur deutschen Grenze. Viele deutsche Touristen kommen. Sie schätzen die restaurierte Bäderarchitektur und die kilometerlange Promenade. Die Tourismuszahlen zeigen den Aufschwung: In nur zehn Jahren verdoppelte sich die Zahl der Urlauber. Für 2024 erwartet man drei Millionen Gäste und über zwölf Millionen Übernachtungen. Viele neue Hotels und Sanatorien, darunter auch Fünf-Sterne-Häuser, fördern dieses Wachstum.
Neue Geopolitische Rolle: Das LNG-Terminal und der Containerhafen
Swinemünde hat in der modernen Zeit eine neue Rolle in Europa. Ähnlich wie im 18. Jahrhundert ein strategischer Hafen, dient die Stadt heute als wichtiger Knotenpunkt für die Energiesicherheit. 2016 ging der „Gazoport“ in Betrieb. Das LNG-Terminal ist ein Schlüsselprojekt, um Polens Energieversorgung zu diversifizieren und sich von russischem Erdgas unabhängig zu machen. Man erweitert die Kapazität des Terminals auf 7,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Damit kann es rund die Hälfte des polnischen Gasbedarfs decken.
Zusätzlich gibt es Pläne für einen neuen Tiefwasser-Containerhafen. Dieses Großprojekt hat nationale und europäische Bedeutung. Der Hafen soll eine Kapazität von zwei Millionen TEU jährlich haben. Das stärkt Polens Position im Ostseehandel. Das Projekt ist aber umstritten. In Deutschland gibt es Widerstand, denn es könnte Umweltauswirkungen auf nahegelegene Naturschutzgebiete haben. Im August 2025 wies ein polnisches Verwaltungsgericht eine Klage gegen die Umweltgenehmigung ab. Das ebnete den Weg für den Bau. So wird Swinemündes maritime Bedeutung weiter wachsen. Die Stadt ist heute wieder ein zentraler Dreh- und Angelpunkt, nicht nur für Handel, sondern auch für europäische Energiesicherheit und Logistik. Die Koexistenz von Seebad und Hafen-Infrastruktur ist ein faszinierendes, modernes Paradoxon. Es setzt die historischen Wurzeln der Stadt fort.
Ikonische Wahrzeichen – Sichtbare Geschichte am Wasser
Die Geschichte Swinemündes zeigt sich in vielen ikonischen Bauwerken. Sie zeugen von der maritimen und militärischen Vergangenheit der Stadt.
- Die Mühlenbake (Stawa Młyny): Dieses Wahrzeichen steht an der Spitze der Westmole. Die Mühlenbake dient seit 1873 als Seezeichen. Es ist ein runder, zehn Meter hoher Steinturm mit vier Windmühlenflügeln. Die Mühlenbake wurde als Erinnerung an eine alte Sage von einer Jugendmühle gebaut. Heute ist sie auf dem Stadtwappen zu finden.
- Der Leuchtturm Swinemünde: Der fast 65 Meter hohe Backsteinturm steht am östlichen Ufer der Swine. Er ist der höchste Leuchtturm an der polnischen Ostseeküste. Man baute ihn von 1854 bis 1857. Von seiner Aussichtsplattform hat man einen weiten Blick über die ganze Region.
- Die Festungsanlagen: Das Erbe der Festungsstadt lebt in den drei erhaltenen Forts Anioła (Engelsburg), Gerharda (Ostfort) und Zachodni (Westfort) weiter. Im 19. Jahrhundert wurden sie zum Schutz des Hafens errichtet. Auch während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges nutzte man sie intensiv. Heute kann man die Forts besuchen. Sie beherbergen Museen zur militärischen Geschichte der Stadt.
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Fazit und Ausblick – Eine Stadt im Wandel
Die Geschichte Swinemündes ist eine Erzählung von Wandel und Anpassung. Die Stadt entstand nicht aus einer gewachsenen Gemeinschaft. Sie war vielmehr das Ergebnis einer strategischen Entscheidung Preußens. Das Ziel: die Kontrolle über den Seehandel der Oder zu bekommen. Swinemünde entwickelte sich vom Seehafen zum weltberühmten Kurort und Militärstützpunkt. Schließlich wurde es eine moderne Metropole. Der Zweite Weltkrieg, die Zerstörung und der Wechsel zu polnischer Verwaltung waren ein vollständiger Bruch mit der Vergangenheit. Trotzdem hat die Stadt in ihrer neuen Identität ihre historische Rolle wieder aufgenommen. Sie ist wieder ein maritimer Knotenpunkt und zieht Erholungssuchende an. Die Zukunft Swinemündes wird von ihrer einzigartigen Lage und ihrer Wandlungsfähigkeit bestimmt. Das LNG-Terminal stärkt Europas Energiesicherheit. Die Pläne für den neuen Containerhafen könnten globale Handelsrouten neu definieren. So steht die Stadt wieder im Zentrum überregionaler Ambitionen. Die Geschichte Swinemündes ist also nicht abgeschlossen. Sie wird ständig neu geschrieben.
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