Das Krantor (Żuraw) – Herz der Danziger Hafengeschichte
Das Krantor (polnisch: Żuraw) in Danzig ist ein beeindruckendes Wahrzeichen der Stadt und ein faszinierendes Zeugnis mittelalterlicher Ingenieurskunst. Als ehemals größter Hafenkran der Welt verkörpert es die reiche maritime Geschichte der Hansestadt und zieht jährlich tausende Besucher an.
Die Geschichte des Krantors
Die Geschichte des Krantors reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der erste Kran an dieser Stelle wurde bereits 1367 erwähnt, damals noch unter der lateinischen Bezeichnung „caranum“. Dieser ursprüngliche Bau diente sowohl als Stadttor der Danziger Rechtstadt als auch als Hebewerk für den Flusshafen an der Mottlau.Nach einem verheerenden Brand um 1442 wurde das Krantor in den Jahren 1442 bis 1444 komplett neu errichtet. Diese Neukonstruktion vereinte die Funktionen eines Stadttors, einer Verteidigungsanlage und eines leistungsfähigen Hafenkrans. Es war diese Version des Krantors, die Danzig zu einem der wichtigsten Umschlagplätze der Hanse machte und den Ruf der Stadt als bedeutende Handelsmetropole festigte.
Architektur und Konstruktion
Das Krantor ist ein Meisterwerk der Backsteingotik und beeindruckt durch seine imposante Erscheinung. Es besteht aus zwei massiven Halbrundtürmen, die durch einen höheren Mittelbau verbunden sind. Die Gesamthöhe des Bauwerks beträgt beeindruckende 31 Meter, wobei die Flankentürme eine Höhe von 24,5 Metern erreichen.Die Stadtseite des Krantors ist reich verziert. Jeder der Türme weist vier blinde Spitzbogenfenster auf, die sich über den ersten und zweiten Stock erstrecken. Die Nischeninnenflächen dieser Fenster sind etwa 60 cm eingerückt, was dem Bauwerk eine zusätzliche optische Tiefe verleiht. In den beiden inneren Bögen befinden sich je zwei quadratische Fenster, die Licht ins Innere lassen.Das charakteristische Erscheinungsbild des Krantors wird durch den hölzernen Vorbau im Mittelteil geprägt. Dieser befindet sich über der hafenseitigen Torpassage und ist als Doppelhebewerk über sechs Stockwerke angelegt. Diese einzigartige Konstruktion macht das Krantor zu einem architektonischen Unikat.
Technische Meisterleistung
Das Herzstück des Krantors bilden zwei Paare von Treträdern, die sich im Inneren des steinernen Mittelbaus befinden. Diese Räder sind wahre Giganten ihrer Art, mit einem beeindruckenden Durchmesser von bis zu 6,5 Metern. Sie gehören zu den größten bekannten Tretradkränen der Geschichte.Die Tretradachse des unteren Krans ist im ersten Stock, etwa 6 Meter über dem Boden, in die Wände des Mittelbaus eingelassen. Die Räder reichen bis in die darunter liegende Torpassage und vermitteln einen Eindruck von der gewaltigen Größe dieser Konstruktion.Für den Hebevorgang wurde eine etwa 10 cm starke Hanfleine verwendet.
Der Weg dieser Leine durch das Gebäude ist ein Zeugnis mittelalterlicher Ingenieurskunst: Sie lief von der Seilwinde zwischen den Rädern durch zwei Luken in den dritten Stock, wo sie von einer Umlenkrolle aufgenommen und zur Kranrolle an der Außenseite geführt wurde.Die Leistungsfähigkeit des Krans war für seine Zeit außergewöhnlich. Bei Verwendung nur eines Radpaares konnten Lasten von zwei Tonnen auf eine beachtliche Höhe von 27 Metern gehoben werden – ideal zum Einsetzen von Schiffsmasten. Wurden beide Radpaare gekoppelt, konnten sogar Lasten von bis zu vier Tonnen auf eine Höhe von 11 Metern gebracht werden.
Bedeutung für den Handel
Das Krantor spielte eine zentrale Rolle im Danziger Hafen, der zu den wichtigsten Umschlagplätzen der Hanse gehörte. Es diente nicht nur zum Be- und Entladen von Schiffen, sondern auch zum Setzen von Segelmasten. Diese Vielseitigkeit machte es zu einem unverzichtbaren Werkzeug für den florierenden Seehandel.Die Bedeutung des Krantors ging weit über seine praktische Funktion hinaus. Es wurde zum Symbol für die wirtschaftliche Macht und den technologischen Fortschritt Danzigs. Zusammen mit dem „Alten Krahnen“ in Trier von 1413 gehört das Danziger Krantor zu den ältesten erhaltenen Hebeeinrichtungen dieser Art im ehemals deutschsprachigen Raum.
Schicksal im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau
Wie viele historische Bauwerke in Danzig erlitt auch das Krantor schwere Schäden während des Zweiten Weltkriegs. 1945, während der Eroberung Danzigs durch die Rote Armee, wurde es in Brand gesetzt. Die hölzerne Konstruktion brannte vollständig ab, und die steinernen Elemente wurden stark beschädigt.Nach dem Krieg wurde das Gebäude in den Jahren 1957-1959 sorgfältig rekonstruiert. Die Rekonstruktion erfolgte nach Plänen des polnischen Architekten Stanisław Bobiński und stellte eine bemerkenswerte Leistung dar, die das Krantor in seiner historischen Pracht wiedererstehen ließ.
Das Krantor heute
Heute ist das Krantor eines der bekanntesten Wahrzeichen Danzigs und ein beliebtes Fotomotiv für Touristen aus aller Welt. Seit dem 20. Juli 1962 dient es als Teil des Nationalen Maritimen Museums und beherbergt faszinierende Ausstellungen zur Geschichte des Danziger Hafens.Besucher haben die einzigartige Möglichkeit, die Geschichte des Seehandels und der Schifffahrt hautnah zu erleben. Seit 2003 können sie sogar den rekonstruierten Kranmechanismus besichtigen, was einen faszinierenden Einblick in die Ingenieurskunst vergangener Zeiten bietet.Das Krantor ist nicht nur ein technisches Denkmal, sondern auch ein Symbol für die maritime Tradition und den Handelsgeist Danzigs. Seine Bedeutung für die Stadt spiegelt sich auch darin wider, dass es auf den 5-Gulden-Münzen der Freien Stadt Danzig von 1932 abgebildet wurde.
Besucherinformationen
Das Krantor befindet sich an der Długie Pobrzeże in Danzig, direkt an der Mottlau. Es ist ganzjährig für Besucher geöffnet, wobei die Öffnungszeiten saisonal variieren können. Der Eintritt ist Teil des Tickets für das Nationale Maritime Museum.Besucher sollten ausreichend Zeit einplanen, um nicht nur das Krantor selbst, sondern auch die umliegenden Attraktionen zu erkunden. Dazu gehören der Museumsfrachter „Sołdek“, der direkt gegenüber vor Anker liegt, sowie die malerische Hafenpromenade.Das Krantor ist barrierefrei zugänglich, jedoch können einige Bereiche aufgrund der historischen Bauweise für Personen mit eingeschränkter Mobilität schwer zu erreichen sein.
Fazit
Das Krantor ist wohl unbestritten eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Danzig und weit mehr als nur ein historisches Bauwerk. Es ist ein lebendiges Zeugnis der Ingenieurskunst des Mittelalters, ein Symbol für die Macht des Handels und ein Fenster in die faszinierende Geschichte der Hansestadt Danzig. Sein Überleben durch die Jahrhunderte, einschließlich der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der sorgfältigen Rekonstruktion, macht es zu einem unschätzbaren Kulturgut. Für Besucher Danzigs ist das Krantor ein Muss. Es bietet nicht nur einen Einblick in die technischen Errungenschaften vergangener Zeiten, sondern auch in die reiche maritime Geschichte der Stadt. Seine imposante Erscheinung, gepaart mit seiner faszinierenden Geschichte, macht das Krantor zu einem unvergesslichen Erlebnis für jeden, der sich für Geschichte, Architektur oder Seefahrt interessiert.